Spinnen mit der Handspindel

In dieser Anleitung erkläre ich Dir, welche Eigenschaften Deine erste Spindel haben sollte, welches Material Du am besten für die ersten Versuche wählst und alle Schritte, mit denen Du von der Faser zum ersten eigenen Garn kommst.

Übersicht


Aufbau einer Spindel

Die Handspindel besteht aus einem stabförmigen Spindelschaft oder Spindelstab, an dem ein Schwunggewicht, der Wirtel, befestigt ist.

Der Spindelstab wird beim Spinnen angetrieben und auf ihn wird auch der fertige Faden gewickelt.

Der Wirtel stabilisiert die Drehbewegung der Spindel und sorgt dafür, dass sie sich auch lange dreht.


Welche Spindel für den Anfang?

So einfach eine Spindel aufgebaut ist, so viele verschiedene Formen gibt es davon auch.

In meiner Anleitung verwende ich eine Fallspindel. Diese Form ist sehr anfängerfreundlich und auch leicht zu bekommen. Trotzdem sind auch hier ein paar Punkte zu beachten:

Hochwirtel- oder Tiefwirtel?

Je nachdem, wo der Wirtel am Spindelstab befestigt ist, spricht man von einer Hochwirtelspindel (manchmal auch Kopfspindel genannt) oder einer Tiefwirtelspindel (Fußspindel).

Die Position ändert nichts am eigentlichen Spinnprozess.

Da aber der Weg vom Spindelstab zur Faser bei einer Hochwirtelspindel etwas länger ist, empfehle ich für den Anfang immer eine Tiefwirtelspindel.

Gewicht

Je nach Gewicht der Spindel verändern sich auch ihre Eigenschaften:

Eine schwere Spindel ist träger als eine leichte. Das bedeutet, dass Du etwas mehr Kraft benötigst, eine schwere Spindel zum Drehen zu bringen, dafür wird sie aber auch länger in Drehung bleiben, als eine leichte Spindel.

Da die Spindel aber am Faden hängt, darf sie nicht so schwer sein, dass dieser reißt.

Am Anfang spinnt jeder eher dicke Fäden und ist sehr damit beschäftig alle Handgriffe zu koordinieren. Es ist also vorteilhaft, wenn sich die Spindel möglichst lang dreht.

Wirtelform

Kugelförmige Wirtel sorgen für eine sehr schnelle Drehung, während scheibenförmige Wirtel sich eher langsam drehen.

Deine erste Spindel soll sich zwar möglichst lange selbstständig drehen, aber bitte nicht zu schnell, damit Du dich in aller Ruhe um die Fasern kümmern kannst.

Haken oder Kerbe?

Viele moderne Spindeln haben am oberen Ende einen Haken, was die Befestigung des Fadens erleichtert.

Aber es gibt auch Spindelstäbe, die lediglich über eine Kerbe verfügen und auch solche, die vollkommen glatt sind. Bei diesen Spindeln kann man den Faden nicht einfach einhaken, sondern muss ihn mit einem „halben Schlag“ befestigen.

Ich empfehle für den Anfang eine Fußspindel mit Haken, einem scheibenförmigen Wirtel und einem Gewicht von 70g – 120g.


Welche Fasern für den Einstieg?

Wolle ist nicht gleich Wolle und es gibt ja auch noch so viele andere Fasern, die man verspinnen kann.

Tierische Fasern, Pflanzenfasern und Synthetische Fasern

Bei Tierische Fasern findet man alles von der Schafwolle, über Haare von Alpaka, Yak und Hunden bis hin zur kostbaren Seide.

Aber auch einige Pflanzenfasern lassen sich sehr gut verspinnen, wie beispielsweise Leinen und Baumwolle.

In der heutigen Zeit stehen uns zusätzlich auch noch Synthetische Fasern zur Verfügung. Darunter fallen nicht nur Fasern wie Nylon, sondern auch synthetisch aufbereitete Fasern aus pflanzlichen Rohstoffen, wie Viskose, Bambusfasern und noch viel mehr.

Schafwolle für die ersten Spinnversuche

Wer mit dem Spinnen anfängt, sollte es sich aber erst einmal so einfach wie möglich machen und für die ersten Versuche Schafwolle verwenden.

Allerdings gibt es unglaublich viele verschiedene Schafrassen, deren Wolle sich auch sehr unterschiedlich leicht verspinnen lässt. Wenn Du also nach geeigneter Wolle für die ersten Schritte suchst, solltest Du auf jeden Fall die Finger von superfeiner Merinowolle lassen.

Feinheit, Stapellänge und Krimp

Die Feinheit einer Faser wird in Mikron (mic) angegeben. Damit ist der Durchmesser einer einzelnen Faser gemeint. Je kleiner der Mikron-Wert also ist, desto feiner ist die Faser.

Das Fell der verschiedenen Schafrassen ist auch unterschiedlich lang. Hier zeigt Dir die Stapellänge, wie lang eine einzelne Faser ist.

Zu guter Letzt gibt es dann noch den Krimp, also die Kräuselung einer Faser. Leider findet man dazu eher selten Angaben. Da die ersten beiden Punkte aber völlig ausreichen, um eine geeignete Faser für den Anfang auszuwählen, ist das nicht weiter schlimm.

Es gilt vor allem: meide die Extreme!

Feine, aber auch sehr grobe Fasern stellen erst einmal eine Herausforderung dar. Das Gleiche gilt für die Stapellänge. Sind die Fasern zu kurz, wird Dir der Faden ständig reißen. Zu lange Fasern machen aber den Auszug (der Begriff wird später noch erklärt) schwierig.

Fasern mit einer Feinheit von 27-32 mic und einer Stapellänge von etwa 75-150 mm sind für den Anfang ideal!

Geeignete Fasern: Eiderwolle, Coburger Fuchsschaf, Süddeutsche Merinowolle, Irische Wolle, Chubut…


Anleitung zum Spinnen mit der Handspindel

Du hast deine Spindel und passende Fasern ausgewählt?
Hast Du auch noch ein Stückchen Schnur (ca. 1m) als Anfangsfaden?

Perfekt! kommen wir also nach all der Theorie endlich zum praktischen Teil!

Vorbereitung

SPINDEL
Wenn Du eine Anfängerspindel von mir hast, sind Spindelstab und Wirtel nicht fest miteinander verbunden. Du musst also zuerst den Wirtel auf das untere Ende des Spindelstabes stecken.

SPINNFASERN
Außerdem ist es einfacher, wenn du auch deine Wolle gut vorbereitest: dazu zupfst Du ca. 20 cm aus deinem Kammzug, teilst diesen Abschnitt einmal der Länge nach und ziehst die beiden Stücke vorsichtig ein bisschen in die Länge ohne sie auseinander zu reißen.

ANFANGSFADEN und SCHLAUFE
Nimm Deinen Anfangsfaden doppelt und knote die beiden Enden zusammen, so dass Du eine große Schlaufe erhältst. Jetzt wickelst Du den doppelten Anfangsfaden knapp oberhalb vom Wirtel einmal um den Spindelstab und ziehst ein Ende durch die Schlaufe.

Dieses lange Ende führst Du nun einmal am Wirtel vorbei nach unten, dort ein weiteres Mal um den Spindelstab und wieder zurück nach oben.

Wenn Du deinen Anfangsfaden jetzt durch den Haken ziehst, sitzt alles fest und die Spindel kann sich an der Schlaufe frei drehen.

Spinnen

Beim Spinnen hältst Du die Spinnfasern locker in der einen Hand (Faserhand) und die Spindel drehst Du mit der anderen Hand (Spindelhand). Teste, mit welcher Hand es Dir leichter fällt, die Spindel zu drehen.

Normalerweise wird die Spindel beim Spinnen im Uhrzeigersinn gedreht. Wenn Dir die andere Richtung aber leichter fällt, nimm diese!

ANSPINNEN
Zupfe ein paar Fasern von deinem vorbereiteten Kammzug in die Länge und ziehe sie durch die Schlaufe des Anfangsfadens.

Wenn Du die Spindel drehst, wandert der Drall vom Anfangsfaden in die Faser und beide verbinden sich.

„PARK & DRAFT“ – Methode
Diese Methode ist für den Anfang ideal und klappt am besten im Sitzen.

Klemme mit den Fingern der Faserhand Deine Wolle so ab, dass der Drall nicht in die Fasern wandern kann (Drallsperre).

Wenn Du mit der Spindelhand jetzt Deine Spindel drehst, entsteht zwischen Spindel und Drallsperre ein starker Drall. Damit sich die Spindel nicht wieder zurückdrehen kann, klemmst Du sie zwischen Deinen Beinen ein.

Deine Spindelhand ist jetzt frei und kann Dir beim Ausziehen helfen.

Dazu übergibst Du die Drallsperre ohne sie zu lösen von der Faserhand an die Spindelhand und ziehst vorsichtig zwischen Deinen beiden Händen ein bisschen Wolle in die Länge, so dass ein Faserdreieck entsteht.

Dann machst Du mit der Faserhand eine neue Drallsperre, löst deine Spindelhand und lässt den Drall in die gerade ausgezogenen Fasern wandern: auf diese Weise entsteht aus den Fasern ein Faden.

Jetzt beginnt alles wieder von vorne:

Spindel drehen – Parken – Faser ausziehen – Drallsperre lösen – Spindel drehen…

Sobald Dein Faden zu lang geworden ist, um bequem weiter spinnen zu können, wickelst Du ihn um den Spindelstab und führst das Ende wie zuvor den Anfangsfaden wieder durch den Haken.

Beim Aufwickeln solltest du darauf achten, den frisch gesponnenen Faden stets leicht gespannt zu halten, da er sich sonst leicht mit sich selbst verdrehen kann.

Um dies zu erreichen, kannst du entweder Faserhand und Spindelhand bewusst auseinanderhalten oder den Faden zunächst in einer „Achterfigur“ um die Finger deiner Faserhand wickeln. Auf diese Weise bleibt der Faden auch auf engem Raum unter Spannung und lässt sich anschließend mühelos auf den Spindelstab aufwickeln.

SPINNEN IM FLUG:
Sobald Du die „Park & Draft“ – Methode beherrschst, kannst Du Dich an die nächste Methode wagen und im Flug spinnen.

Bei dieser Technik klemmst Du die Spindel nicht länger ein während Du die Fasern ausziehst, sondern lässt sie sich währenddessen im Fluge weiterdrehen.

Jetzt musst Du unbedingt darauf achten, dass die Spindel immer genug Schwung hat und sich nicht wieder zurück dreht. Während sich die Spindel dreht und für genug Drall sorgt, kannst Du jetzt ohne Unterbrechung den Faden ausziehen.

Wenn deine Spindel voll ist oder du keine Fasern mehr hast, ist es Zeit, den Faden von der Spindel zu entfernen, ohne dass er sich verheddert.

Wickle den Faden dafür vorsichtig zu einem Knäuel auf. Achte darauf, ihn nicht zu locker zu wickeln, damit er sich nicht mit sich selbst verdreht.

Zwirnen

Deinen fertig gesponnenen Faden (Single) kannst Du direkt als Dochtgarn nutzen oder Du zwirnst mehrere Fäden zu einem stabilen und oftmals weicheren Garn zusammen.

Single-Fäden bzw. Dochtgarn erfordern etwas Übung, ebenso wie das Verzwirnen von drei oder mehr Fäden oder spezielle Zwirntechniken. Für dein erstes Garn ist daher ein Zweifach-Zwirn die beste Wahl.

Zum Verzwirnen zweier Fäden kannst Du entweder die gleiche Menge Fasern zweimal verspinnen oder den Faden so von der Spindel abwickeln, dass ein Knäuel entsteht, das sich sowohl von innen als auch von außen abwickeln lässt.

Beim Zwirnen erfolgt die Drehung immer in die entgegengesetzte Richtung zum vorherigen Spinnen. Abgesehen von der Drehrichtung funktioniert der Vorgang aber genauso wie beim Spinnen. Achte dabei darauf, dass sich die beiden Fäden gleichmäßig miteinander verdrehen.

Falls Du nicht mehr weißt, in welche Richtung Du beim Spinnen gedreht hast, ist das nicht weiter schlimm. Schau Dir einfach deinen gesponnenen Faden an, da kann man es leicht erkennen:

Hast Du deine Spindel im Uhrzeigersinn, also nach rechts, gedreht, dann hast du im fertigen Faden oder Zwirn einen S-Drall.

Wenn Du dagegen die Spindel gegen den Uhrzeigersinn, also nach links, gedreht hast, hat dein Faden oder Zwirn einen Z-Drall.

Fertigstellen

HASPELN
Dein fertiges Garn wird jetzt von der Spindel zu einem Strang gewickelt. Dazu kannst Du die Wolle entweder um Deinen Arm wickeln oder aber du nutzt zum Beispiel die Beine eines umgedrehten Stuhls.

Bei Spinnern sehr beliebt ist auch die Kreuzhaspel, meist „Niddy Noddy“ genannt. So eine Kreuzhaspel lässt sich gut zerlegen und man kann trotzdem sehr bequem lange Stränge damit wickeln.

Damit sich das Garn nicht verheddern kann, solltest du den Strang locker an 3-4 Stellen abbinden, bevor Du ihn von der Haspel nimmst.

ENTSPANNUNGSBAD
Damit sich der Drall endgültig ausgleichen kann, darf Dein fertiges Garn in ein heißes Entspannungsbar.

Das Wasser sollte so heiß sein, dass Du Deine Hände noch kurz hineintauchen kannst. Wenn Du magst, kannst Du noch ein paar Tropfen mildes Wollwaschmittel mit dazugeben.

Deinen Strang legst Du einfach ins Wasser, eventuell kannst Du ihn vorsichtig unter Wasser drücken, achte aber darauf, die Wolle so wenig wie möglich zu bewegen, damit sie sich nicht verfilzt.

Das Garn darf solange im Wasser bleiben, bis es vollkommen auf Raumtemperatur abgekühlt ist.

TROCKNEN
Drücke vorsichtig das überschüssige Wasser aus deinem Strang. Wenn Du den Strang jetzt um Deine Hände legst und diese ruckartig auseinander ziehst (Vorsicht: spritzt!), gibst Du dem Garn noch den letzten Schliff.

Drehe dabei den Strang so, dass immer andere Stellen an deinen Händen liegen und wiederhole den Schritt noch zweimal.

Jetzt kannst Du den fertigen Strang zum Trocknen aufhängen.

Sobald deine Wolle komplett trocken ist, kannst du den Strang zu einem Zopf drehen oder zum Knäuel wickeln.

Die Anleitung kannst Du Dir übrigens auch in meinem Shop als PDF herunterladen und ausdrucken oder sie dir HIER als Video ansehen. (Video noch in Arbeit)