Ich möchte ein traditionelles Handwerk erlernen – da brauche ich kein kugelgelagertes Hightech-Rad mit 3D-gedruckter Spule! Kein Spinnrad, das sich klein zusammenklappen und in einem Nylon-Rucksack verstauen lässt! Und erst recht kein „Rad von der Stange“!

Ich träume von romantischem Dornröschen-Charme, von einem kunstvoll gedrechselten Einzelstück mit Seele.
Offen gesagt: Genau das waren meine Gedanken! In meiner Vorstellung saß ich bereits in einem langen Kleid an einem prächtigen Flügelspinnrad vor einem offenen Kamin und spann feinstes Garn – wie aus einem Märchenbuch.
Doch so verlockend es klingt, einem alten Spinnrad, das seit Omas Zeiten auf dem Speicher verstaubt, neues Leben einzuhauchen – in den meisten Fällen ist es frustrierend. Oft führt es sogar dazu, dass man dieses wunderbare Hobby aufgibt, bevor man es richtig begonnen hat.
Ein altes Spinnrad ist nur Dekoration!
Natürlich ist das nicht die ganze Wahrheit. Zum Glück gibt es Menschen mit Geduld und handwerklichem Geschick, die auf alten Spinnrädern wunderbares Garn zaubern.
Doch Vorsicht! Auch wenn viele alte Spinnräder als „funktionsfähig“ oder „spinnbar“ angepriesen werden, entspricht das nicht immer der Realität. Viele dieser Räder sind tatsächlich nur noch dekorative Antiquitäten (und leider viel zu oft nicht einmal mehr das).
Um den Unterschied zu erkennen, braucht es ein gewisses Grundwissen über Spinnräder:
- Sind alle Teile vorhanden und intakt?
- Wie stark sind die Verschleißerscheinungen?
- Handelt es sich um ein Flachsrad oder eines für Wolle?
- Oder wurde es vielleicht nur als Dekorationsobjekt gebaut?
Manches lässt sich reparieren oder ersetzen, doch fast jedes alte Spinnrad braucht zuerst einmal viel Liebe und Zuwendung.

Wenn aber alle Bestandteile vollständig und funktionsfähig sind, kann man selbstverständlich auch auf einem alten Rad spinnen. Trotzdem ist der Einstieg mit einem modernen Spinnrad oft deutlich einfacher.
Warum?
Fortschritt durch Technik!
Das moderne Spinnrad ist das Ergebnis einer kontinuierlichen Weiterentwicklung traditioneller Räder.
Wo früher die Achse einfach am Gestell aufgehängt war, sorgen heute Kugellager für einen deutlich leichteren Lauf von Schwungrad und Flügel.
Der klassische Antriebsriemen aus Leder oder Schnur wurde durch moderne PU-Riemen ersetzt. Zwar kann im Notfall ein Stück Paketschnur den Zweck immer noch erfüllen, doch mit einem PU-Riemen läuft der Antrieb wesentlich effizienter und erfordert weniger Kraftaufwand.
Auch die Übersetzungsmöglichkeiten wurden verbessert: Während alte Spinnräder oft nur einen einzigen kleinen Wirtel haben, bieten moderne Modelle eine Vielzahl an Übersetzungen. Dadurch muss die Trittgeschwindigkeit nicht mehr so stark an das Material und das gewünschte Ergebnis angepasst werden.

All diese Neuerungen bringen vor allem zwei entscheidende Vorteile:
- Weniger Kraftaufwand und damit höherer Komfort beim Spinnen.
- Mehr Flexibilität, um das Spinnrad optimal an verschiedene Fasern und Techniken anzupassen.
Natürlich sind das nicht die einzigen Verbesserungen, aber meiner Meinung nach die wesentlichsten Unterschiede zu alten Spinnrädern.
Vielfalt durch Standardisierung!
Ein Widerspruch in sich? Ganz und gar nicht! Gerade durch die Standardisierung eröffnen sich völlig neue Möglichkeiten, mit dem eigenen Spinnrad noch kreativer zu arbeiten.

Du möchtest superfeines Lacegarn spinnen, ohne dabei wie wild treten zu müssen? Ein High-Speed-Wirtel lässt sich mit wenigen Handgriffen anbringen – und los geht’s!
Oder doch lieber super dickes Garn oder sogar Artyarn? Kein Problem! Viele moderne Spinnräder lassen sich mit Jumbospulen und extra großen Spinnflügeln erweitern, sodass auch außergewöhnliche Spinnprojekte mühelos gelingen.
Natürlich bietet nicht jedes Spinnradmodell alle erdenklichen Möglichkeiten – doch diese Vorteile haben sie alle gemeinsam:
- Unbegrenzte Spulenanzahl
Drei Spulen reichen nicht? Kein Problem! Für jedes neue Projekt kannst du dir einfach weitere Spulen besorgen. Du musst nicht erst eine Faser fertig spinnen, bevor du etwas Neues beginnst – sondern kannst je nach Lust und Laune zwischen verschiedenen Garnen wechseln. - Ersatzteile leicht verfügbar
Ist etwas kaputt gegangen? Dank der Standardisierung sind Ersatzteile problemlos erhältlich – dein Spinnrad bleibt also lange funktionsfähig und du kannst ohne große Umstände weiterarbeiten.
Durch diese Flexibilität wird Spinnen noch entspannter, kreativer und individueller!
Lohnt sich ein altes Spinnrad also nicht?
Moment – so pauschal kann man das nicht sagen! Warum sollte es sich nicht lohnen, ein altes Spinnrad wieder herzurichten? Besonders, wenn es vielleicht sogar ein Erbstück aus der Familie ist?
Ich selbst liebe alte Dinge und freue mich riesig darauf, ein Spinnrad wieder in Gang zu setzen, auf dem zuletzt meine Uroma gesponnen hat.

Allerdings – wie bereits erwähnt – ist das mit viel Zeitaufwand verbunden, den nicht jeder aufbringen möchte. Außerdem ist es deutlich einfacher, ein altes Rad instand zu setzen, wenn man bereits spinnen kann. Ob man dabei tatsächlich Geld spart, ist fraglich, denn Ersatzteile, Restaurierungen und Reparaturen können schnell teuer werden. Und eines steht fest: Ein altes Spinnrad wird nie so bequem und mühelos spinnen wie ein modernes Modell.
Ein altes Spinnrad lohnt sich also vor allem für diejenigen, die:
- bereit sind, viel Zeit und Arbeit in die Restauration zu stecken, bevor das erste Fädchen gesponnen wird,
- Geduld und handwerkliches Geschick mitbringen,
- genau wissen, welche Teile ein Spinnrad braucht und wie sie funktionieren.
Für alle anderen ist der Einstieg mit einem modernen Spinnrad oft der bessere und stressfreiere Weg.
Letztendlich zählt nur eines: Spinnen soll Freude machen!
Egal, ob dein Spinnrad ein altes Erbstück vom Dachboden deiner Oma ist oder ein hochmodernes Hightech-Rad vom anderen Ende der Welt – wichtig ist nur, dass du mit Freude daran spinnst. Es spielt keine Rolle, ob es ein Massenprodukt oder ein kunstvoll gedrechseltes Einzelstück ist. Was zählt, ist, dass es zu dir passt und dir das Spinnen erleichtert.

Und mal ehrlich: Spinnräder sind Rudeltiere! Früher oder später zieht ohnehin mehr als nur eines bei dir ein.
Wie siehst du das? Spinnst du lieber auf einem alten oder modernen Rad? Habe ich einen wichtigen Unterschied vergessen?
Teile deine Gedanken und Erfahrungen gerne in den Kommentaren – ich freue mich auf deine Meinung!
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